How deep is your love?

Wie motiviert widmen sich Personaler ihren Aufgaben? Welche Arbeitsbedingungen stärken ihnen den Rücken, wo stehen sie auf verlorenem Posten? Das Münchner geva-institut ging diesen Fragen nach. Die Ergebnisse lassen aufhorchen.

 

Das Tätigkeitsfeld des Personalers ist wie geschaffen für Menschen, die unbedingt etwas bewegen wollen – und sich bisweilen selbst überschätzen. Ihr verkäuferisches Talent hilft ihnen, Wettbewerbern ohne Vorwarnung hoch qualifizierte Kandidaten für spannende Aufgaben abzuluchsen; strauchelnden Führungskräften stärken sie psychologisch geschickt den Rücken.

 

Mit ihren Vorschlägen, wie HR- und Firmenstrategien Hand in Hand gehen können, geben sie in Chefetagen immer öfter eine überzeugende Visitenkarte ab. Der erlauchten Runde lediglich als geduldeter Gast beizuwohnen – diese Zeiten sind doch längst vorbei. Wer wollte denn tatsächlich noch auf ihren geschätzten Rat verzichten, fragen sich ernsthaft immer mehr HR-Protagonisten. Jüngste Untersuchungen verleihen diesem Selbstbild einen empfindlichen Dämpfer.

 

Aus der Perspektive anderer Unternehmensbereiche einschließlich der Topetagen wird die Personalabteilung noch immer als bürokratisches Relikt wahrgenommen: Hier wird gebremst und blockiert. Man versteht einander einfach nicht. HR als Lieferant elementarer Wertbeiträge: ein frommer Wunsch. Es ist schier zum Verzweifeln.

Den Bodensatz aufgewühlt

Eine neue Studie des Münchner Geva-Instituts, die exklusiv der „Personalwirtschaft“ vorliegt, spürte diesem Dilemma in HR-Kreisen minutiös nach. Das auf Mitarbeiterbefragungen und Personaldiagnostik spezialisierte Beratungshaus wollte wissen, was Personaler vom Lohnbuchhalter über den Referenten bis zum Arbeitsdirektor und Vorstand tatsächlich in ihrem Job antreibt, aber auch frustriert. An der im April 2013 durchgeführten Online-Befragung, für die rund 25 Minuten Zeit einzukalkulieren waren, nahmen mehr als 2200 Personaler teil.

 

Das erhobene Datenmaterial ist von beachtlichem Ausmaß und gewährt tiefen Einblick in das Gemüt von HR-Streitern quer über Branchen und Firmengrößen hinweg. Das liegt nicht zuletzt an der konzeptionellen Anlage der Befragung. Zunächst beurteilten die Teilnehmer, wie zufrieden sie mit 21 Merkmalen ihres Tätigkeitsfeldes sind: von der Organisation der Arbeit über die bereichsübergreifende Kooperation und die Weiterbildungsangebote bis zur Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Vergütung. Im Brennpunkt: Wie zufrieden sind Personaler mit ihrem Einfluss auf Unternehmensstrategien, wie steht es um die Wertschätzung ihrer Arbeit?

 

Im zweiten Schritt wurden die Teilnehmer gebeten, die aus ihrer Sicht fünf wichtigsten Merkmale zu benennen. Schließlich oblag es ihnen, ihre persönliche Arbeitssituation auf einer Skala von „überhaupt nicht zufrieden“ (O) bis „absolut zufrieden“ (100) und damit die wichtigsten Motivationsfaktoren zu illustrieren: Wie sehr identifizieren sie sich mit dem Unternehmen; wie beurteilen sie ihre Loyalität und Einsatzbereitschaft ; wie ist es um ihren Gestaltungswillen und um die Arbeitsenergie bestellt?

 

Kurz: Was treibt sie in ihrer Arbeit an? Was sind sie persönlich bereit zu geben? Wunsch versus Wirklichkeit Das gewiss wichtigste Ergebnis vorweg: Zwar will jeder dritte Personaler mehr Einfluss auf die Unternehmensstrategien nehmen. Doch den meisten scheint dies nicht zu gelingen. Das eigentlich zentrale Merkmal des HR-Tätigkeitsfeldes, laut Geva-Geschäftsführer Gerhard Bruns „wichtiger Treiber für die Arbeitszufriedenheit der Personaler und ihrer Identifikation mit dem Unternehmen“, erzielt mit durchschnittlich 50 Prozent den niedrigsten Zufriedenheitswert unter allen untersuchten Merkmalen.

 

Mit der ihnen gezeigten Wertschätzung sind knapp 60 Prozent zufrieden. Auch das könnte weit besser sein. Damit nicht genug: Ähnlich verheerend niedrige Zufriedenheitswerte vergeben die HR-Praktiker für Regeln und Prozesse (52 Prozent), für Information und Kommunikation (50) sowie die Innovationskultur (50). Dies kollidiert brachial mit einer hohen Motivation, wobei die ermittelten Werte der ersten HR-Entscheidungsebene jeweils knapp vor der zweiten rangieren. Unter Personalern stark ausgeprägt sind Identifikation (79), Gestaltungswille (79), Arbeitselan (77) und Loyalität (73). Der mit Abstand stärkste Motivationsfaktor ist die Einsatzbereitschaft mit 85 Prozent. In Firmen mit überschaubarer Größe liegen die Werte noch höher als in Großunternehmen.

Loyal und engagiert

In ihrem offenkundig an Qualität und Herausforderungen zunehmenden Arbeitsumfeld finden Personaler immer mehr Aufgaben vor, die von ihnen als sinnvoll und bereichernd empfunden werden. „Man liebt seine Tätigkeit“, so Bruns wörtlich. Mit Führungskräften zu kooperieren mache vielen Spaß. „Auch mit ihrer Vergütung sind die meisten Personaler einverstanden.“ Nicht nur Psychologen wissen: Zwischen Arbeitsmerkmalen und der individuellen Persönlichkeit besteht ein spannender Wirkungszusammenhang. Der Deutlichkeit halber zieht Geva-Chef Bruns dafür das Bild einer Badewanne heran. Wie schnell das Wasser verrinnt, hängt demzufolge einerseits von den Arbeitsbedingungen ab. Zum anderen: Wer nicht nur Dienst nach Vorschrift schiebt, sondern sich stark engagiert und persönliche Ziele mit Firmenzielen in Einklang bringt, kann negative Umfeldfaktoren gewissermaßen ausgleichen. Der Wasserpegel sinkt also nicht so schnell ab. Wer sich über Gebühr einsetzt, kann ungünstige Bedingungen abfedern, womöglich sogar ausgleichen. Fragt sich nur – wie lange? Auch das zeigt die Auswertung: Personaler in Unternehmen, die wirtschaftlich in Schieflage geraten sind, müssen deutlich mehr „strampeln“.

Dem Frust begegnen

Sagen wir es frei heraus: Wer sich nicht nur mit administrativen Aufgaben begnügt, sondern im Unternehmen etwas verändern will, muss eine hohe Frustrationstoleranz mitbringen. Eine Stärke der Untersuchung: Vier von fünf Teilnehmern sind mit größter Entscheidungsbefugnis ausgestattet. Personalleiter und Vorstände repräsentieren 40 Prozent der Befragten, der in etwa gleiche Anteil entfällt auf HR-Manager. Wer annimmt, die Ergebnisse bildeten lediglich das Meinungsbild des desillusionierten Fußvolks ab, sieht sich daher getäuscht. Treffen also günstige Arbeitsbedingungen auf hoch motivierte Akteure, kann sich jede Organisation „glücklich“ schätzen. Damit sind die entscheidenden Voraussetzungen für lang anhaltenden Erfolg gelegt, diese Prämisse dürfte kaum umstritten sein. Die Geva-Studie zeigt genau auf, wo Handlungsbedarf besteht. Wollen Personaler Stärken bewahren und gezielt ausbauen, finden sich in ihrem facettenreichen Tätigkeitsfeld genügend Ansatzpunkte. Große Schubkraft könnte die Kooperation mit den Führungskräften entfalten.

 

Priorität hingegen sollte genießen, identifizierte Schwachstellen entschlossen auszumerzen. Dazu zählen die Arbeitsorganisation, das Arbeitspensum, nicht zuletzt die berufliche Weiterbildung. Durch schnelle Lenkungsmanöver könnten Personaler hier selbst einiges erreichen. Offen bleibt hingegen ihr Einfluss auf die erwünscht stärkere Mitsprache bei Unternehmensentscheidungen, auf die ihnen vermittelte Wertschätzung oder die von ihnen beklagte Innovationskultur. Eine Fortsetzung des Spiels,bei dem sich Personaler und ihre Ansprechpartner in Unternehmensführung und Fachbereichen den Schwarzen Peter zuschieben und auf angestammte Vorurteile verweisen, wer würde dies bezweifeln, wird keinen Deut Verbesserung bringen.

Situation erkannt

Wie nehmen Personaler die Ergebnisse auf; welche Erfahrungen haben sie in ihrem Umfeld gesammelt; welche Ratschläge können sie geneigten Berufskollegen erteilen, um mit dem zitierten „Dilemma“ konstruktiv umzugehen? In einer Blitzumfrage sammelte die „Personalwirtschaft“ Stimmen ein. Dies vorweg: Viele kennen das Problem, dass Personaler mit ihren Initiativen oft auf verlorenem Posten stehen und ihnen nur geringe Wertschätzung zuteil wird. Personaler wie Manager, argumentiert Erich Unkrig, HR Manager von Areva in Erlangen, trügen gleichermaßen dazu bei. Personaler, so Unkrig, würden häufig nicht die „Sprache des Managements“ sprechen. Argumentieren sollte HR deshalb wie im Projektmanagement oder dem Controlling. So ließen sich Fragen nach dem Return on Investment (ROI) einer Maßnahme „recht schnell und belastbar beantworten“. Manager hingegen seien vor allem in schwierigen Zeiten lediglich auf kurzfristige Erfolge und quantitative Messgrößen erpicht. „Professionelle Personalarbeit ist jedoch ein mittel- und langfristiges Thema, insoweit treffen zwei Welten aufeinander.“

Die Insel der Seligen verlassen

Ähnlich ordnet Jürgen Seifert, Personalleiter von TNT Express in Troisdorf, die Ergebnisse ein. Personaler befänden sich im administrativen „Dornröschenschlaf“. Um ernstgenommener Partner von Fachbereichen und Topmanagement zu werden, sollten sie unbedingt drei Aufgaben anpacken.

 

Erstens Personalarbeit ins Business integrieren, nur dann werde der Personaler als „vollwertiger Gesprächspartner anerkannt.“ Ferner sollten Personalstrategien, Personalprozesse und Personalinstrumente einen „erkennbaren Nutzen für das Management und die Organisation“ aufweisen. „Personaler müssen ihre Produkte in- und extern vermarkten. Sie müssen sich als interne Verkäufer verstehen statt als administrative Unterstützer.“ Schließlich sollte eine Personalstrategie explizit beschrieben sein, in enger Anlehnung an die Unternehmensstrategie. „So erkennen die Chefs den Nutzen für das Business“, so Seifert. In das selbe Horn stößt Thomas Perlitz, Personalleiter der Gerresheimer AG in Düsseldorf. Ihn wundert schon lange, mit welch geringer Begeisterung viele Personaler ihrem Metier nachgingen. Um Themen nachhaltig voranzutreiben, müsse man als Personaler schließlich „auf Augenhöhe“ mit der Linie sein. Doch Personaler seien oft nicht bereit, Zahlen zu verstehen und zu interpretieren sowie „die richtigen Ableitungen für HR zu identifizieren und kraftvoll anzugehen“. Vielfach werde „noch immer gewartet, dass man etwas zu tun bekommt“.

Von innen heraus überzeugt

Auf Streicheleinheiten verzichtet Michael Ecker, Personalleiter von Essilor in Freiburg. Er bezieht seine Motivation aus der Überzeugung, „für Mitarbeiter wertvolle Arbeit zu leisten und damit den Unternehmenserfolg zu sichern“. Dazu zählt Ecker, wie sehr er Mitarbeiter fördern und entwickeln könne und wie sehr es ihm gelänge, Produktions-Arbeitsplätze vor der Verlagerung ins ferne Ausland zu bewahren. Personaler sind Ecker zufolge ganz entscheidend für die Kultur im Unternehmen verantwortlich. Sie entscheide darüber, ob Mitarbeiter die „extra Meile“ für ihr Unternehmen gehen oder nicht. Eine ethische Haltung stehe Personalern gut zu Gesicht, man müsse noch in den Spiegel schauen können: „Du gestaltest zwar den Wandel im Unternehmen und musst manchmal auch harte Entscheidungen treffen. Aber du hast fair, respektvoll und ethisch einwandfrei gehandelt.“

Statur und Argumente zeigen

Tacheles redet eine HR Managerin eines Frankfurter Betriebes, die ihren Namen nicht in der Zeitschrift lesen möchte. Sie findet, dass Personaler anscheinend „auf hohem Niveau jammern“. Sie kennt viele Führungskräfte, die froh wären, „wenn man als Personaler mal den ersten Schritt macht und einfach in den Dialog kommt über das, was gut läuft und wo gerade der Schuh drückt.“ Amüsant findet sie darüber hinaus, dass Personaler – „eine insgesamt eher konservative Zunft“ – über mangelnde Innovationskultur klagen.

 

Das letzte Wort hat Thomas Sattelberger, bis Mai 2012 Personalvorstand der Deutschen Telekom. „Freiräume im Gestalten erhält man durch Statur, überzeugende strategische Argumentation und durch die Tatsache, dass man sein Tagesgeschäft im Griff hat.“ Nach seinem Rückzug aus der HR-Verantwortung spart Sattelberger nicht mit beißender Kritik. Personaler seien zum Teil „farblose Klone, die schlecht präsentieren und ihre Vorschläge nicht in den geschäftlichen Kontext setzen können“. Seine Hoffnungen ruhen deshalb mehr denn je auf der jungen Generation.

 

Quelle: Personalwirtschaft 09/2013, Autor: Winfried Gertz, freier Journalist, München