Studium oder Ausbildung? Tipps für die schulische Berufsorientierung
Nach dem Abitur geht’s an die Uni! Für die meisten Schulabgänger mit Hochschulzugangs-berechtigung ist das von vorneherein klar. Nachdem die Zahl der Abiturienten und Studienanfänger in den letzten Jahren immer mehr gestiegen ist, setzt sich nun allmählich die Erkenntnis durch, dass ein Studium nicht für jeden Abiturienten die beste Wahl ist.
Immer mehr Jugendliche entscheiden sich nach dem Abitur stattdessen für eine duale Ausbildung. Warum sie das tun und welche Faktoren bei den jungen Menschen eine Entscheidung für eine Ausbildung begünstigen, hat das BIBB untersucht – und daraus Empfehlungen für die schulische Berufsorientierung abgeleitet, die Jugendlichen die Möglichkeit einer Ausbildung als Alternative zum Studium näherbringen können.
Wichtig, um den Fachkräftemangel zu stoppen? Auch! Aber vor allem, damit Jugendliche für ihre Berufswahl eine möglichst breite Entscheidungsgrundlage haben. Schließlich geht es um eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben…
Für die Studie wurden Daten von 2.500 Schüler/-innen der 12. Klasse an Gymnasien, die im ersten Schulhalbjahr eindeutige Angaben zu ihren Bildungsplänen machten, verwendet.
Eltern spielen eine große Rolle
Eltern sind die wichtigsten Partner Ihrer Kinder bei der Berufs- und Studienwahl. Die Studienergebnisse bestätigen dies und zeigen, dass die Berufspläne der Jugendlichen stark durch die Erwartungshaltung ihrer Eltern geprägt werden, und zwar sowohl von tatsächlich ausgesprochener, als auch von der bei den Eltern vermuteten Erwartungshaltung.
Außerdem möchten Schulabgänger einen Beruf ergreifen, dessen Niveau dem der Eltern ähnlich oder besser ist.
Studierwillige nannten häufiger als Ausbildungs-Interessierte ihre Eltern als Informationsquelle für Studienbelange.
Vorbild, Ratgeber, Richtungsweiser - Die Eltern sind aus dem Berufswahlprozess ihrer Kinder nicht wegzudenken. Jedoch sollte die Entscheidung bei den Jugendlichen letztlich aufgrund ihrer eigenen Einschätzung fallen und nicht aufgrund einer (tatsächlichen oder vermuteten) Einflussnahme der Eltern.
Das BIBB rät deshalb dazu, in der Schule Reflexion anregen: Neben den Interessen und Wünschen sollte Berufsorientierung auch die sozialen Prozesse verdeutlichen, die bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen – z.B. eine bisher nicht wahrgenommene Lenkung durch die Eltern.
Dies könnte z.B. im Rahmen der schulischen Berufsorientierung durch Hinterfragen der Beweggründe für die Entscheidung geschehen. Auf diese Weise kann sich der Jugendliche der Einflüsse bewusst werden und sich auch gegebenenfalls leichter von ihnen lösen, wenn sie seinen Plänen zuwider sprechen.
Mehr Möglichkeiten durch konkretere Information
Ein wesentliches Entscheidungskriterium bei der Studien- bzw. Ausbildungswahl ist für Schulabgänger der Nutzen, den sie sich vom Durchlaufen des jeweiligen Bildungsgangs versprechen.
Den Studienergebnissen zufolge erwarteten alle Jugendlichen einen hohen Nutzen von der Durchführung eines Studiums, u.A. in Form von attraktiven Berufschancen. Anders bei einer Ausbildung: Hiervon erwartete nur der Anteil der befragten Jugendlichen, der sich letztlich für eine Ausbildung entschied, einen Nutzen.
Jugendliche wählen ein Studium, weil sie der Meinung sind, dort ihre beruflichen Interessen am besten verwirklichen zu können. Vielen ist aber nicht bekannt, dass sie dieses teilweise auch mit einem Ausbildungsgang erreichen könnten.
Ausbildungswillige haben deutlich konkretere Vorstellungen zu beruflichen Zielen und Umsetzungsmöglichkeiten und sie treten früher in den Berufsorientierungsprozess ein.
Und: Möglicherweise gibt es eigentlich durchaus mehr prinzipiell ausbildungswillige Jugendliche: Die Ausbildungswahrscheinlichkeit bei den Jugendlichen steigt bei hohem Interesse an praktisch-technischen Tätigkeiten.
Dieser Effekt wird jedoch bei den ursprünglich ausbildungswilligen Teilnehmern überlagert durch gute Noten sowie eine höhere selbst eingeschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit in Bezug auf ein Studium. Beide Faktoren üben einen stärkeren Effekt auf die Bildungswahl aus als das Interesse an technischen Tätigkeiten, sodass es als begünstigender Faktor einer Ausbildungs-Entscheidung nicht mehr in Erscheinung tritt.
Die Ergebnisse legen nahe, dass Jugendliche häufiger eine Ausbildung in Betracht ziehen, wenn der Berufswahlprozess an der Schule früh einsetzt.
Das BIBB schlägt vor, in der Berufsorientierung stärker zu betonen, dass auch Ausbildungen einen Nutzen, z.B. in Form von Karriereperspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten bieten können. Weiter könnte konkreter auf Studien-Alternativen eingegangen werden, die ähnliche Kompetenzen vermitteln wie der anfänglich gewünschte Studiengang.
Zusammen mit einem früher einsetzenden Berufsorientierungs-Prozess könnten sich so möglicherweise insbesondere diejenigen Jugendlichen mit starkem Interesse an praktisch-technischen Fähigkeiten für eine Ausbildung begeistern, aber auch diejenigen, denen mögliche Ausbildungsinhalte im intellektuell-forschenden und sprachlich-künstlerischen Bereich näher gebracht worden sind.
Neue Anregungen für die Berufsorientierung
Insgesamt gehen die Empfehlungen des BIBB in Richtung mehr Praxis, mehr Konkretes, mehr Individualität in der Berufsorientierung.
Wir meinen: Ein sinnvolles Umsetzen der Anregungen könnte Berufsorientierung für Jugendliche um einige wichtige Wegweiser auf der Reise zum Beruf bereichern und Ihnen auch wertvolle Hinweise über den Hintergrund der Entscheidung liefern.
Quelle: „Abi – und dann? Was Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zur Aufnahme einer beruflichen Ausbildung bewegt“ BWP 01/2019
Download unter https://www.bwp-zeitschrift.de/de/bwp.php/de/bwp/show/9613
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