Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium: Praxistipps

Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium spielt eine wichtige Rolle! Diese Erkenntnis ist noch recht neu. Entsprechend unsicher sind sich viele hinsichtlich der Herangehensweise, eine hochwertige Berufsorientierung an ihrer Schule zu implementieren.
Fragen wie “was ist wichtig? welcher Umfang? welches sind die richtigen Instrumente? Und vor allem: Ist sie eigentlich wirklich notwendig?“ werden in diesem Zusammenhang häufig gestellt.
Es gibt zwar einige Gymnasien, die bereits ausgefeilte und qualitativ fundierte Berufswahlkonzepte haben und leben, aber viele Schulen sind noch am Anfang des Weges.

Unsere Praxistipps verraten Ihnen, was für Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium wirklich wichtig ist.

 

Unterstützung bei der Lebensplanung: Die Herausforderungen für Gymnasien

Schule soll aufs Leben vorbereiten und folglich auch bei der Studien- und Berufsorientierung unterstützen. Darin sind sich alle einig.
Doch welches ist der beste Weg dafür? Am meisten profitieren Schülerinnen und Schüler an Gymnasien, wenn die dortige Studien- und Berufsausorientierung genau auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist, und diese unterscheiden sich in mehrerlei Hinsicht von den Anforderungen an anderen Schulformen:
Jungen Menschen mit Hochschulreife stehen alle Bildungswege offen: Sie können zwischen Studium und Berufsausbildung wählen, aber auch beides in Kombination durchführen. Das ist zwar ein Vorteil in punkto Vielseitigkeit, stellt aber viele Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen vor eine scheinbar undurchdringliche Menge an Möglichkeiten – kein Wunder, dass sich viele überfordert fühlen und nun erst recht nicht mehr wissen, welche Wahl denn jetzt die richtige ist.
Oft fällt dann auch die Entscheidung für einen Studiengang oder einen Ausbildungsplatz, der sich letztlich als doch nicht passend herausstellt, wie die hohen Abbruchquoten zeigen.
Es überrascht nicht, dass hier Unterstützung gefragt ist.

Stellschrauben für zielführende Studien- und Berufsorientierung

Ideen für eine zielführende Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium
Worauf also muss man beim Aufbau eines Projektes zur Studien- und Berufsorientierung besonders achten, welche Bestandteile machen es erfolgreich?
SCHULEWIRTSCHAFT  Deutschland hat in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit einen Praxis-Leitfaden genau zu diesem Thema entwickelt. Wir haben das Wichtigste für Sie zusammengefasst.
Die gute Nachricht: Wenn Studien- und Berufsorientierung einmal als Standard an der Schule implementiert ist, die Verantwortlichen benannt sind und jeder weiß, was er zu tun hat, entfällt viel lästige und aufwändige Organisationsarbeit. So lässt sich auch ein umfangreiches Projekt besser in den Schulalltag einfügen.
 

Untermauern Sie den Stellenwert an Ihrer Schule

Beziehen Sie Studien- und Berufsorientierung strategisch in den Schulalltag ein und stellen Sie in der Innen- und Außenkommunikation klar, dass sie fester Bestandteil Ihres Unterrichtskonzepts ist. Schüler-/innen, Lehrer-/innen, weitere Schulverantwortliche und die Eltern der Schülerinnen und Schüler werden sich so der  Bedeutung der Berufswahl für den weiteren Lebensweg noch deutlicher bewusst.
Erstellen Sie ein Konzept und konkretisieren Sie die einzelnen geplanten Schritte.
Einige Gymnasien beginnen bereits in der fünften Jahrgangsstufe mit ersten Veranstaltungen zur Studien- und Berufsorientierung und führen auf diese Weise ihre Schülerinnen und Schüler Schritt für Schritt an dieses wichtige Thema heran. Außerdem kann so der Umfang des gesamten Projekts in einigen Punkten auf die Jahre verteilt werden – eine Konzentration ausschließlich auf die ohnehin arbeitsintensiven Abschlussklassen entfällt.
Je detaillierter das Konzept ist, desto weniger muss im Anschluss geklärt werden -  und desto leichter fällt dann auch die Umsetzung.

 

 

Konzept zur Studien- und Berufsorientierung: Das Wichtigste in Kürze
Arbeiten Sie die Vorgehensweise Ihrer Schule für folgende Punkte aus:
  • Thematische Verankerung in möglichst vielen Schulfächern sowie eigenständigen Unterrichtseinheiten
  • Personelle Verankerung bei allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen – schaffen Sie ein Bewusstsein für die Bedeutung der Studien- und Berufsorientierung für das weitere Leben der Schülerinnen und Schüler
  • Verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen aller Beteiligter, um eine langfristige Akzeptanz des Projekts zu gewährleisten
  • Einbeziehung der Eltern als wichtige Ratgeber ihrer Kinder
  • Gewinnung von Universitäten, Unternehmen und anderen externen Beteiligten als langfristige Kooperationspartner
  • Gewährleistung von regelmäßiger Aktualisierung und Qualitätssicherung
 
 

Verankern Sie das Thema im Unterricht

Integrieren Sie Aspekte der Berufsorientierung in thematisch passende Unterrichtsfächer, z.B. indem Schülerinnen und Schüler im Fach Deutsch Aufsätze über ihre Praktika im Rahmen der Studien- und Berufsorientierung schreiben. So tragen Sie dazu bei, das Thema ständig präsent zu halten.
Beziehen Sie eigenständige Unterrichtseinheiten zur Studien- und Berufsorientierung in das schulische Curriculum ein und schaffen Sie dadurch die Möglichkeit, sich regelmäßig gezielt mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Hierbei ist es allerdings wichtig, die zeitlichen und finanziellen Ressourcen aller Beteiligter zu kennen und nicht zu überschreiten, damit Motivation und Erkenntnisgewinn nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
In vielen Bundesländern gibt es bereits eigene Programme, deren spezifische Regelungen natürlich beachtet werden müssen. Die meisten dieser Programme gehen auch mit Fördermitteln einher, die Schulen bei der Studien- und Berufsorientierung finanziell unterstützen.

große Schulklasse macht den geva-test

Binden Sie externe Netzwerkpartner ein

Nach wie vor sind die Eltern wichtigster Ratgeber ihrer Kinder bezüglich der Studien- und Berufsorientierung. Sie einzubeziehen, ist Voraussetzung für eine fruchtbare Zusammenarbeit und bestmögliche Unterstützung der Schülerinnen und Schüler. Eltern-Informationstage sind hierfür eine gute Möglichkeit, um mit den Eltern ins Gespräch zu kommen.
Aber auch andere externe Partner wie Unternehmen, Hochschulen, Kammern und Berufsberatung, z.B. der Bundesagentur für Arbeit, sind wichtig, um die schulische Studien- und Berufsorientierung um ihr Wissen und ihre Ratschläge zu bereichern.
In Praktika, Betriebserkundungen und Schülerprojekten haben die Jugendlichen ausreichend Gelegenheit, betriebliche Abläufe kennenzulernen und sich ein Bild vom Arbeitsalltag im Traumberuf zu machen. Und auch die Angebote von Betriebsbesichtigungen, Hospitationen etc, die es mittlerweile auch für Lehrer/-innen gibt, sind spannende Möglichkeiten, die eigene Kompetenz zur Vermittlung von Berufswahlinhalten zu stärken.
Holen Sie so viele externe Partner wie möglich  ins Boot, um ein breit gefächertes Angebot zu gewährleisten.

 

 

So gelingt die Zusammenarbeit mit externen Partnern
  • Die Zusammenarbeit ist langfristig angelegt und beruht auf einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Partner
  • Den Anforderungen von Schülern, Schülerinnen und der Wirtschaft sowie des Bildungsplans wird Rechnung getragen
  • Die Projekte sind sowohl in der Schule, als auch bei den Partnern breit eingebunden und transparent und nachvollziehbar gestaltet. Informationsveranstaltungen und –unterlagen sowie Öffentlichkeitsarbeit unterstützen hierbei
  • Auf schulischer sowie Partnerseite gibt es feste Ansprechpartner, die die Gestaltung der Partnerschaft übernehmen und regelmäßig miteinander in Kontakt stehen
 

Achten Sie auf Qualitätssicherung

Führen Sie regelmäßig eine Qualitätssicherung durch und beziehen Sie deren Ergebnisse als Anregungen in die Weiterentwicklung Ihres Projekts ein. Die Einholung von Feedback der Schülerinnen und Schülern, deren Eltern und den externen Partnern nimmt dabei einen besonders hohen Stellenwert ein.
Tipp: Sie können die Qualität Ihres Programms zur Studien- und Berufsorientierung auch von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen: Das Berufswahl-Siegel wird an Schulen mit einer ausgezeichneten Studien- und Berufsorientierungs-Konzepts vergeben. Der Auditierungsprozess ist zwar umfangreich und erfordert eine besondere Vorbereitung, mit dem professionellen Feedback sind Sie aber mit Sicherheit auf dem Weg zu einem zielführenden Projekt.

Beispielhaft: Anregungen aus Projekten anderer Gymnasien

Das Ulrich-von-Hutten-Gymnasium Berlin führt in der 11. Jahrgangsstufe den geva-test® Studium & Beruf durch. Die detaillierte Auswertung mit Bezug zur Vergleichsgruppe und ca 14 Vorschlägen für passende Studiengänge und/oder Ausbildungsberufe ist ein guter Ausgangspunkt, um sich im Folgenden besonders interessante Studiengänge und Berufe genauer anzusehen.

Beim Helmut-Schmidt-Gymnasium in Hamburg geht’s in der fünften Klasse los mit der Studien- und Berufsorientierung. Das Thema ist durchgehend im Unterricht verankert, so wird zum Beispiel im Fach Deutsch das Schreiben von Bewerbungen geübt.
Neben einem Alumni-Programm, an dem auch Eltern beteiligt sind, gibt es auch eine Kooperation mit der Universität Hamburg, die die Schülerinnen und Schüler im Rahmen von Workshops beim Finden eines passenden Studiengangs unterstützt.

Auch beim Gymnasium Kirchheim bei München wird Studienorientierung groß geschrieben: Ein Besuch entweder des Schülerinnen- und Schülertags der Technischen Universität München oder des Tages der offenen Tür der Ludwig-Maximilians-Universität München ist für alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 verpflichtend.
Des Weiteren berichten im Praxisseminar Eltern als Expertinnen und Experten über ihre Berufe und beantworten die Fragen interessierter Schülerinnen und Schüler.

Am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Dillingen findet in Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln in der Jahrgangsstufe 11 jährlich zwei Schülerfirmen gegründet, die für die Dauer eines Schuljahres bestehen.
Zu Beginn des Schuljahres entwickeln die Schülerinnen und Schüler eine innovative Geschäftsidee und bauen ein eigenes Unternehmen auf, das auf dem realen Markt tätig ist. Je nach individueller Neigung besetzen die Schülerinnen und Schüler die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens und erwerben hierdurch vielfältige Kompetenzen und Erfahrungen.

Weitere Praxisbeispiele, eine Checkliste für Ihr Schulprojekt zur Studien- und Berufsorientierung und weitere nützliche Informationen finden Sie im Praxiswegweiser „Studien- und Berufsorientierung an Gymnasien: Warum eigentlich?“ von SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland und der Bundesagentur für Arbeit