Expertenmeinung: Berufsorientierung für Jugendliche bei der Stiftung SPI

Eine Expertenmeinung aus dem Fördermittelbereich.
Stefan Zaborowski, Leiter der Niederlassung Brandenburg des Sozialpädagogischen Instituts Berlin (SPI), gibt wertvolle Einblicke in kritische wie erfolgreiche Faktoren der methodischen Berufsorientierung für Jugendliche.
 
geva-institut: Fast jede vierte Ausbildung wird heute abgebrochen. Wie können Schulabgänger dabei unterstützt werden, eine für sie wirklich passende Lehrstelle zu finden?
Stefan Zaborowski: Vor der Aufnahme einer Lehre sollten alle am Berufsorientierungsprozess Beteiligten – Schüler, Eltern, Betriebe und Lehrer – genau wissen, was der Schulabgänger gut kann und für welche Aufgaben er sich eher nicht eignet. Eine berufliche Orientierung muss daher möglichst frühzeitig beginnen, zuerst natürlich im Elternhaus, spätestens ab Klasse 7 oder 8 aber auch in den Schulen. Durch individuelle Gespräche, Berufsorientierungstests und praktische Erprobungen sollte am Ende der Beratungsarbeit ein für jeden Jugendlichen passgenauer Berufswunsch stehen.
 
Was sind die kritischen Faktoren für einen gelungenen Übergang von der Schule in den Beruf?
Nahezu ein Ausschließungsgrund vom Arbeitsmarkt ist ein fehlender Schulabschluss. Deutschlandweit – und auch in Brandenburg – verlassen mehr als 10 Prozent der Schüler die Schule ohne Abschluss. Fast ebenso gefährdet sind Jugendliche mit einem sehr schlechten Abschluss. Daneben beweisen die Jugendlichen oft ein zu geringes Durchhaltevermögen und können mit Konflikten nur schwer umgehen. Ihre Schlüsselqualifikationen und sozialen Kompetenzen sind teilweise noch nicht ausreichend ausgeprägt, um in einer Ausbildung bestehen zu können. Sind die Schulabgänger in den Betrieben angekommen, kann es passieren, dass zu hohe Ansprüche an sie und ihr Leistungsvermögen gestellt werden. Einen besonderen Einfluss auf das Gelingen der Ausbildung hat – positiv wie negativ – auch der Umgang der Ausbilder mit den Jugendlichen.
Im Profil
Unser Experte
Stefan Zaborowski, Leiter der Niederlassung Brandenburg des Sozialpädagogischen Instituts Berlin (SPI)
 

Sozialpädagogisches Institut Berlin (SPI)
Seit ihrer Gründung als eigenständiger Geschäftsbereich im Jahr 1999 hat sich die Niederlassung Brandenburg des SPI als Träger sozialer Arbeit etabliert. Projekte und Maßnahmen werden in den Arbeitsfeldern Jugend, Jugend in besonderen Lebenslagen, Sucht, Ausbildung, Qualifizierung und Arbeit sowie soziale Stadt- und Landesentwicklung angeboten. Über eine Vielzahl eigener Aktivitäten hinaus geschieht dies durch Kooperationen mit regionalen Partnern, die Vernetzung von Projekten, regionale Bündelung von Ressourcen und Koordinierung landesweiter Arbeitsansätze. Dem Geschäftsbereich angesiedelt ist die Kompetenzagentur Cottbus, die eine zentrale Vermittlungs- und Lotsenfunktion zur beruflichen und sozialen Integration besonders benachteiligter Jugendlicher einnimmt.
 
 
Wie sieht für Sie eine erfolgreich durchgeführte Berufsorientierung aus?
Ein frühzeitiger Ansatz in der Schule ist empfehlenswert. Bereits in der Grundschule sollten sich die Kinder mit der Arbeitswelt auseinandersetzen, z. B. durch Betriebsbesichtigungen. Zuerst gilt es, ihre Interessen, Neigungen, Stärken und Fähigkeiten herauszufinden. Später geht es darum, entsprechende Berufe zu finden und sich mit den Berufsbildern näher zu beschäftigen. Tätigkeiten, Arbeitsorte, Arbeitszeiten, Qualifizierungsmöglichkeiten, Voraussetzungen und Verdienst sind für die Berufswahl entscheidende Themen.
 
Wurde ein Berufswunsch verifiziert, müssen in diesem Berufsfeld praktische Erfahrungen gesammelt werden, z. B. während eines Schülerpraktikums. Nach dem Praktikum sollte eine Auswertung erfolgen, damit abgeklärt werden kann, ob der ausgewählte Beruf für die berufliche Zukunft relevant ist.
 
In der 9. Klasse sollte eine Berufswahl mit zwei bis drei Alternativen feststehen, damit eine gezielte Lehrstellensuche beginnen kann. Die Bewerbungen werden abgeschickt.
 
Welche Aufgaben übernimmt die Kompetenzagentur Cottbus bei der Berufsorientierung von Jugendlichen in Ihrer Region?
Die Kompetenzagentur verfügt über das nötige Know-how, um an den Stärken benachteiligter Schüler anzusetzen und sie zuverlässig in Ausbildung und Arbeit zu begleiten. Derzeit werden von uns rund 400 Jugendliche im Case-Management betreut. Daneben bietet die Kompetenzagentur Workshops zur beruflichen Orientierung an. Schließlich vermittelt die Kompetenzagentur den Schulklassen Personalverantwortliche oder Ausbilder aus Unternehmen, die über Ausbildungsmöglichkeiten, Voraussetzungen und Erwartungen an die zukünftigen Auszubildenden informieren. Nach der Betreuung in der Schule fungiert die Kompetenzagentur als Mittler zwischen Jugendlichem und Ausbildungsbetrieb oder leider auch oft zwischen Jugendlichem und JobCenter.
 
Mit welchen Partnern arbeiten Sie zusammen und wie wird die Kooperation gesteuert?
Gemäß dem Leitmotto der Stiftung SPI „Soziale Arbeit als Koproduktion“ kooperiert die Kompetenzagentur Cottbus mit der Agentur für Arbeit, insbesondere mit der Berufsberatung, mit dem JobCenter, dem Staatlichen Schulamt und dem Jugendamt. Sie arbeitet darüber hinaus mit den Kammern – IHK und HWK – eng zusammen und kooperiert mit Beratungsstellen wie der Sucht- und Schuldnerberatung oder dem Jugendmigrationsdienst. Die Agentur arbeitet auch eng mit den Schulen und den dort tätigen Schulsozialarbeitern zusammen. Darüber hinaus ist sie im Bündnis für Familien aktiv und in unterschiedlichsten Fachgruppen der Region vertreten. Einen regelmäßigen Austausch gibt es mit der Fachhochschule Lausitz, mit Bildungs- und Jugendhilfeträgern, der LASA, Zeitarbeitsfirmen und Maßnahmeträgern. Halbjährlich treffen sich außerdem Finanziers und Partner zu einer Steuerungsrunde.
 
Die geva-tests® setzen wir seit dem Jahr 2004 systematisch ein. Sie sind für die berufliche Orientierung der Jugendlichen sehr hilfreich, denn sie zeigen ihnen ihre beruflichen Interessen, Grundqualifikationen, Schlüsselqualifikationen und kognitiven Leistungen auf. Alle Ergebnisse werden zudem in einem Zertifikat zusammengefasst. Für alle Beteiligten ist dies eine fachlich fundierte und unabhängige Hilfestellung.
 
Aus Ihrer bisherigen Projekterfahrung heraus: Was raten Sie anderen Regionen in Deutschland, die das Übergangsmanagement Schule – Beruf optimieren möchten? Was sind die ersten Schritte hinsichtlich Planung, Finanzierung und Durchführung?
Zuallererst bedarf es auf kommunaler Ebene des politischen Willens, das Übergangsmanagement Schule – Beruf zu systematisieren. Denn allzu oft arbeiten die unterschiedlichen Unterstützungssysteme für Jugendliche parallel am immer gleichen Schüler. Die Einrichtung einer Stabsstelle direkt beim Landrat oder Oberbürgermeister ist daher für den Erfolg eines Projekts wichtig. Fördermittel sind aus gutem Grund an unterschiedlichsten Stellen ausreichend vorhanden.
 
Aus meiner Sicht sollte es in jeder Kommune eine Kompetenzagentur geben, die vor allem die benachteiligten Jugendlichen betreut und auf dem Weg in den Arbeitsmarkt begleitet. Wichtig ist, dass sie für die Jugendlichen jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung steht, die Angebote in der Region kennt und dementsprechend passgenau beraten und vermitteln kann.