Zurück in den Arbeitsmarkt - und was es dafür braucht

Die Pandemie hat weltweit viele Menschen ihren Arbeitsplatz gekostet - und damit nur unterstrichen, was sich ohnehin schon anbahnte: Die fortschreitende Entwicklung unserer Arbeitswelt in Richtung Automatisierung und Digitalisierung lässt diejenigen auf der Strecke, die sich nicht an die Anforderungen neuer Arbeitssituationen anpassen können. So der OECD-Report „OECD Skills Outlook – Learning for life“
Nicht verwunderlich, dass unter den Leidtragenden besonders viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne anerkannte Berufsausbildung und/oder aus dem Niedriglohnsektor sind.
Der „OECD Skills Outlook – Learning for life“ untersucht unter anderem, welche Fähigkeiten Menschen mitbringen müssen, um auf dem ersten Arbeitsmarkt dauerhaft erfolgreich zu sein – ungeachtet der jeweiligen Situation und unabhängig vom jeweiligen Arbeitsplatz:
Die Erkenntnisse des Reports haben unmittelbare praktische Relevanz für die Arbeit im Bildungssektor.

 
 
 

Kernkompetenzen für ein erfolgreiches Arbeitsleben

Neben den für jede Arbeitsstelle unabdingbaren spezifischen fachlichen Kompetenzen werden im OECD-Skills-Outlook zwei weitere Arten von Kompetenzen identifiziert – Menschen, die sie besitzen, haben bessere Voraussetzungen, nachhaltig auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen.

1. Die Fähigkeit des lebenslangen Lernens

Zurück in den Arbeitsmarkt und was es dafür braucht geva-Blog

Hier geht es um mehr als den Besuch von Fortbildungskursen - lebenslanges Lernen findet in unterschiedlichen Bereichen statt:

  • formelles Lernen in offiziellen Einrichtungen wie Schulen oder Ausbildungszentren
  • informelles und nicht-formales Lernen (z. B. Lernen von Kollegen und Ausbildung am Arbeitsplatz)
  • unbeabsichtigtes Lernen, das sich aus spontanen sozialen Interaktionen ergibt

Menschen haben ihr ganzes Leben lang die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erlernen - dennoch sind bestimmte Lebensphasen entscheidend für die Entwicklung bestimmter Fähigkeiten.

 
Beispielsweise kann die allgemeine Lernfähigkeit (fluide Intelligenz) bis ins Jugendalter beeinflusst werden – ob es darüber hinaus noch möglich ist, hängt vom sozialen Kontext der Einzelnen ab.
Sozio-emotionale und motivationale Fähigkeiten beginnen sich früh zu bilden und sind mindestens bis in das junge Erwachsenenalter formbar. Wissen und Erfahrung (kristalline Intelligenz) hingegen können im Laufe des gesamten Lebens erworben werden.
 
 
Entscheidend für den Lernerfolg sind auch Art und Ort der Wissensvermittlung:  Einige Lernende können beispielsweise aus verschiedenen Gründen mit formaler (Schul-) Bildung kein befriedigendes Lernziel erreichen. Für diese Personen kann sich das Lernen von Kolleginnen und Kollegen in nicht-formalen und informellen Kontexten, in denen das Lernen weniger abstrakt und eher praktisch ist, als förderlicher für den Erwerb von Fähigkeiten erweisen.
Formelle Einrichtungen wie Schulen oder Hochschulen sind am besten geeignet, Einzelpersonen beim Erwerb grundlegender fachlicher Fähigkeiten zu helfen, hingegen kann informelles Lernen, z.B. von Kollegen, durch ein Ehrenamt oder durch Ausüben eines Hobbys, bei der Förderung spezifischer Fähigkeiten und Kenntnisse erfolgreicher sein.
 
 
Eine wirksame Teilnahme am lebenslangen Lernen bedeutet, dass Einzelpersonen Lernpfade einschlagen können, die sowohl auf ihre persönlichen Ziele ausgerichtet, als auch für die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes relevant sind.

2. Transversale Kompetenzen

Diese, auch Querschnittskompetenzen genannten Fähigkeiten sind bereichsübergreifende Fähigkeiten– sie erlauben es Menschen, unabhängig von fachlichem Wissen und der jeweiligen Arbeitsstelle, in der Arbeitswelt erfolgreich zu sein.
Personen mit gut ausgeprägten transversalen Kompetenzen können sich außerdem leichter und schneller an Veränderungen anpassen (z.B. am Arbeitsplatz oder derzeit durch die Pandemie ausgelöst) und sich auch an neuen Arbeitsstellen schnell zurechtfinden.
Eine Begriffsdefinition steht noch aus – die Auswertung von englischen Stellenangeboten kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich bei transversalen Fähigkeiten um eine Mischung aus Schlüsselkompetenzen und übergreifenden fachlichen Kompetenzen, z.B. der Beherrschung von Microsoft-Programmen, handelt.

Top 30 transversale Fähigkeiten geva-Blog
Das Diagramm zeigt die 30 transversalsten Fähigkeiten, Wissensbereiche und Technologien, die sich aus der ML- (Maschinelles Lernen-) Analyse von Texten in Online-Stellenausschreibungen im Vereinigten Königreich zwischen 2017 und 2019 ergeben haben. Je größer der Balken, desto höher die Querschnittskompetenz, die für die jeweilige Fähigkeit berechnet wurde.
Quelle: OECD Skills Outlook 2021,  abrufbar im Internet: https://www.oecd-ilibrary.org/education/oecd-skills-outlook-2021_0ae365b4-en
 
Kommunikation, Teamarbeit und Organisationsfähigkeit sind die am häufigsten nachgefragten Querschnittskompetenzen bei Stellenangeboten. Kognitive Fähigkeiten wie Analyse-, Problemlösungs-, Führungs- und Präsentationsfähigkeiten wurden ebenfalls als hochgradig transversal für eine Vielzahl von Jobs und Arbeitskontexten angesehen, ebenso Digitale Kompetenzen.

Querschnittskompetenzen werden vor allem durch kollaboratives Lernen erworben. Dabei arbeiten Lernende in kleinen Gruppen zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Das kann sogar dabei helfen, mehrere Querschnittskompetenzen gleichzeitig zu entwickeln.

Notwendig: Unterstützung geringqualifizierter Personen

Es liegt auf der Hand: Menschen, die das Konzept des lebenslangen Lernens verinnerlicht haben, tun sich auch beim Erlernen neuer transversaler Kompetenzen deutlich leichter – und haben auch in unsicheren Zeiten mehr Chancen, neue Arbeitsstellen zu finden und zu behalten.
Andere hingegen sind in Gefahr, abgehängt zu werden – durch den technischen Fortschritt oder die den Arbeitsmarkt verändernde Pandemie.
Nicht verwunderlich, dass davon insbesondere geringqualifizierte Personen betroffen sind – die höchstwahrscheinlich in ihrem Leben bisher nicht ausreichend die Chance auf lebenslanges Lernen und den Erwerb transversaler Kompetenzen nutzen konnten.
Das ist auch eine der Kernaussagen des OECD-Reports – verbunden mit dem dringenden Aufruf, jetzt zu handeln:

Es wird von entscheidender Bedeutung sein, einen Teil der für den Wiederaufbaufonds bereitgestellten Ressourcen in Programme für lebenslanges Lernen zu investieren, an denen alle wichtigen Interessengruppen beteiligt sind und bei denen der besondere Schwerpunkt auf benachteiligten Gruppen liegt – junge Menschen und darunter die NEET (engl. Not in Education, Employment or Training - weder in Beschäftigung noch in Bildung oder Ausbildung) und die Geringqualifizierte, deren Arbeitsplätze am stärksten von Veränderungen bedroht sind.
(OECD Skills Outlook 2021, Vorwort. Abrufbar im Internet: https://www.oecd-ilibrary.org/education/oecd-skills-outlook-2021_0ae365b4-en )
Eine große Aufgabe für Bildungseinrichtungen!
 
Teilweise spiegelt sich der aktuelle Qualifizierungsbedarf bereits in den Programmen des ESF+ wider.
Sie wollen sich hier einbringen? Praktisches und Informatives zur Antragstellung finden Sie in diesem Blogbeitrag.
 
Der geva-test© misst transversale Kompetenzen
Egal, ob es um Projekte mit Jugendlichen oder langzeitarbeitslosen Erwachsenen geht:
Die Diagnose von Stärken und Entwicklungspotenzialen der Teilnehmenden ist ein erster wichtiger Schritt und liefert Anhaltspunkte für das weitere Vorgehen.

Dabei sind die Testverfahren des geva-instituts eine wertvolle Hilfe: Sie stellen Interessen, Schlüsselqualifikationen und kognitive Potenziale von Jugendlichen und Erwachsenen übersichtlich dar und bieten auf diese Weise eine fundierte Basis für Coachings und die weiterführende projektbezogene Arbeit.

Übrigens: Viele der für eine positive Arbeitsperspektive wichtigen transversalen Fähigkeiten – etwa Schlüsselqualifikationen oder die digitale Kompetenz - sind seit jeher Bestandteil unserer Kompetenzanalysen.